ॐ मणिपद्मे हूँ
Zur Geschichte des Buddhismus
Inhalt

Vorbemerkung

Buddha Shakyamuni

Entstehung der buddhistischen Religion in Indien

Theravada und Mahayana

Vajrayana und „Lamaismus“

Tibetischer Buddhismus

Buddhismus in Deutschland

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Zur Geschichte des Buddhismus

Der alte Shakya führt eine Dorfkomödie auf
Chan-Meister Wumen


Vorbemerkung

Ähnlich wie andere bedeutende Religionen hat auch der Buddhismus das „Problem“, dass bei Anwendung der heute gängigen Kriterien der Geschichtswissenschaft Zweifel an der Historizität von in den Schriften erwähnten Personen und Ereignissen auftreten. Der Buddhismus muss sich aber aufgrund seines Selbstverständnisses noch weniger als die aus Vorderasien stammenden „Buchreligionen“ von solchen Erwägungen beeinträchtigen lassen, da der historische Buddha Shakyamuni sich nicht als Autorität reklamierender Prophet, sondern als Ausdruck eines „Buddha“ genannten allgemeinen Prinzips, nämlich dem des zu seiner eigentlichen Natur erwachten Menschen, verstand.

Anderseits legen einige Formen des Buddhismus Wert darauf, über eine ungebrochene Übertragung der Lehre des historischen Buddha zu verfügen. Darüber hinaus kann uns eine historische Betrachtung nicht viel anders als eine literarische Geschichte Informationen über Funktionsweisen des menschlichen Geistes geben, die uns in unserem gegenwärtigen unerleuchteten Bewusstseinszustand immerhin eine Hilfe sein können.

Buddha Shakyamuni

Siddharta Gautama wurde etwa 2560 v. Chr. in Lumbini am Südrand des heutigen Nepal geboren. Er entstammte einer regionalen Herrscherfamilie und war als Thronfolger vorgesehen. Infolge einer Prophezeiung dreier weiser Männer, die voraussagten, dass der Junge, wenn er nicht mit dem Leiden der Welt in Berührung komme, ein großer Krieger und Held werde, wenn er aber die Bedingtheit der Welt erkenne, alles aufgeben und eine neue Lehre entwickeln müsse, wuchs Siddharta von allem Leid abgeschirmt umgeben von Luxus und Schönheit, Bildung und vielerlei Abwechslung in der Residenz seines Vaters eingesperrt auf. Erst mit 29 Jahren verließ der junge Prinz den Palast, bei diesem Ausflug begegnete er am ersten Tag einem Kranken, am zweiten einem gebrechlichen Alten und am dritten einem Leichenzug. Daraufhin begriff Siddharta, dass alles vergänglich ist. Er verließ seine Heimatstadt Kapilavastu und begab sich als Wandermönch auf die Suche nach etwas, das dauerhaft, unzerstörbar und zeitlos ist. Zunächst suchte er spirituelle Meister auf und eignete sich eine umfassende philosophische Bildung an. Infolgedessen erhielt er wiederholt Angebote, als Leiter spiritueller Gemeinschaften zu wirken, was er stets ablehnte. Nunn versuchte er es mit extremer Askese. Nachdem er sich so fast zu Tode gehungert hatte, erkannte er, dass ein gesunder Körper ein notwendiges Werkzeug war, um voran zu kommen. Schlussendlich setzte er sich mit dem Vorsatz, zum Besten aller Wesen die wahre Natur des Geistes zu erfahren, unter einen Bodhibaum und meditierte sechs Tage und Nächte, bis er am Morgen des siebten Tages dasjenige erfuhr, was man landläufig als Erleuchtung bezeichnet. Nachdem der Buddha so zu seiner eigentlichen Natur erwacht war, erkannte er, dass es aufgrund der dualistischen Grundstruktur der menschlichen Sprache sehr schwierig sein würde, seine Erkenntnis anderen mitzuteilen. Da er jedoch sah, dass es einige Menschen gab, deren Bewusstsein nur von wenigen Schleiern getrübt war, beschloss er, den Dharma, die Lehre, in die Welt zu bringen. Im Gazellenhain von Sarnath nahe Benares traf er auf fünf ehemalige Gefährten aus seiner Zeit als Asket. Vor ihnen hielt er seine erste Lehrrede, woraufhin die fünf seine ersten Schüler wurden. Damit war auch die buddhistische Gemeinschaft, der Sangha, ins Leben gerufen.

Die folgenden vierzig Jahre brachte der Buddha damit zu, in Nordindien umherzuziehen und Schülern Belehrungen zu geben. Er gewann sowohl Laienanhänger, unter ihnen auch mächtige Könige, als auch Schüler(innen), die sich bereit erklärten, ihre Heimat zu verlassen und nach gewissen Regeln als Mönche und Nonnen in der unmittelbaren Nähe des Buddha zu verweilen. Da der Buddha sah, dass das Bewusstsein jedes Individuums von einer ganz eigentümlichen Kombination von Störfaktoren getrübt war, gab er jedem die Belehrung, die ihm am besten helfen konnte. Sprache war für ihn ein geschicktes Mittel, um anderen spontan zu helfen, nicht primär ein Instrument zur Erschaffung eines kunstvollen Gedankengebäudes.

Im Dorf Kusinagara verstarb der Buddha schließlich an einer Lebensmittelvergiftung und ging ins Paranirvana, die endgültige Befreiung aus dem Daseinskreislauf, ein.

Entstehung der buddhistischen Religion in Indien

Bei seinem Tod konnte der Buddha von sich sagen, er habe alle ihm möglichen Belehrungen gegeben. Daher ernannte er auch keinen Nachfolger, sondern verwies seine Schüler an den Dharma als Richtschnur. Infolgedessen fand bereits in Buddhas Todesjahr ein Konzil seiner Schüler statt, wo diese den Wortlaut der Belehrungen festlegten, gegliedert in die Themenbereiche Sutra (Lehrreden), Vinaya (Regeln für Mönche und Nonnen) und Abhidharma (philosophische Erläuterungen). Die Texte wurden daraufhin sieben Monate lang von den Mönchen rezitiert, aber nicht aufgeschrieben (letzteres geschah erst im 1. Jahrhundert v. Chr. auf Ceylon in der Sprache Pali).

Den Hintergrund für das Wirken des Buddha und seiner Schüler bildete die indische Religion. Grundlage derselben waren zu dieser Zeit die Veden, heilige Götterlegenden, die einen polytheistischen Opferkult beinhalteten, und die Philosophie des Vedanta, die eine Weltseele (Brahman) postulierte, mit der die Individualseele (Atman) wiederzuvereinigen sei. Diese Vorläuferreligion des heutigen Hinduismus litt in der Zeit des Buddha unter einem Autoritätsverfall, es gab starke atheistische und materialistische Strömungen. Der Buddha selbst lehnte die Existenz eines Seele genannten Kontinuums ab. Die Wiedergeburtslehre der indischen Religion bildet jedoch auch für die Lehre des Buddha eine Grundlage. Götter stellen für ihn eine Daseinsform neben Menschen und Tieren dar. Sie sind der menschlichen Daseinsform sogar insoweit unterlegen, als es ihnen nicht möglich ist, Buddhaschaft in ihrem Götterleben zu erlangen, sie müssen dazu erst einmal als Menschen wiedergeboren werden.

In den ersten Jahrhunderten nach Buddhas Tod etablierte sich seine Lehre in Indien immer mehr. Die Hinwendung des Maurya-Kaisers Aschoka (reg. 273-232 v. Chr.), der gerade ein Großreich geschaffen hatte, zum Buddhismus brachte diesem die Vorrangstellung in Indien ein. Die Maurya-Herrscher sorgten für die Gründung buddhistischer Klöster und die Verbreitung des Dharma in die Nachbarländer Ceylon und Birma. Die wachsende politische Bedeutung des Buddhismus brachte aber auch vermehrte Streitigkeiten im Sangha mit sich. Auf dem Konzil von Pataliputra (246 v. Chr.) führte ein Streit darüber, ob die Ordensregeln streng oder liberal auszulegen seien, zu einer Spaltung in die konservative „Schule der Älteren“ (Theravada) und die liberale Mehrheit der Mahasamgikas.

Nach dem Untergang der Maurya-Dynastie um 180 v. Chr. verlor der Buddhismus an Einfluss im nun wieder politisch zersplitterten Indien. Die nächste ein indisches Großreich bildende Dynastie der Gupta (320-467 n. Chr.) förderte den Hinduismus. Mit dem Vordringen des Islam nach Indien von 710 an und dem Sieg des Islam um 1190 wurde der Buddhismus aus Indien verdrängt.

Theravada und Mahayana

Der Theravada-Buddhismus verlagerte sein Zentrum nach Ceylon, wo er heute noch vorherrscht. Von dort verbreitete er sich nach Birma und zu den Khmer; auch die im 8. Jhdt. nach Indochina eindringenden Thai übernahmen ihn. Zeitweise herrschte er auch im Gebiet des heutigen Indonesien vor. Das Ideal dieser Schule, die sich nur auf die frühen kanonischen Schriften stützt und ethischem Verhalten zentrale Bedeutung zumisst, ist der Arhat, der die Befreiung aus dem Daseinskreislauf individuell verwirklicht hat. Äußerliche Verehrung wird Reliquien und Statuen des historischen Buddha Shakyamuni entgegengebracht.

Aus der Schule der Mahasamgikas entstand im 1. Jhdt. v. Chr. eine Lehre, die als Ideal den Begriff des Bodhisattva entwickelte, eines Wesens, das gelobt, erst dann aus dem Kreislauf der Wiedergeburten auszuscheiden, wenn es allen fühlenden Wesen die Fähigkeit vermittelt hat, ebenfalls Befreiung aus dem Daseinskreislauf zu erlangen. Diese Schule nennt sich selbst folgerichtig das „große Fahrzeug“ (Mahayana) und bezeichnet den Theravada, der „nur“ die Erlösung für den Einzelnen anstrebt, als „kleines Fahrzeug“ (Hinayana). Der Mahayana-Buddhismus kennt auch Lehrreden des Buddha, die nicht im Pali-Kanon enthalten sind, darunter die wichtigen Belehrungen des Herz- und des Lotus-Sutra. Neben dem historischen Buddha Shakyamuni sind auch andere Buddhaformen, die einzelne Aspekte erleuchteten Bewusstseins verkörpern, Gegenstand der Verehrung und Meditation. Diese oft leicht irreführend als (Meditations-)Gottheiten bezeichneten Buddhaaspekte erleichtern einen den individuellen Charakteren entsprechenden Zugang zu der jedem Wesen innewohnenden Buddhanatur, sind aber keine Götter.

Der Mahayana-Buddhismus breitete sich von Indien über China, wo er unter der T’ang-Dynastie (618-906) vorherrschende Religion wurde (später gewann in China der Konfuzianismus die Oberhand), nach Vietnam, Korea und Japan aus. Als Synthese des Mahayana mit Elementen des Taoismus entstand ab ca. 500 n. Chr. in China der Chan- (japan. Zen-) Buddhismus.

Vajrayana und „Lamaismus“

Wie andere Religionen legt auch der Buddhismus ethisches Verhalten nahe, weil er erkennt, dass bestimmte Arten von Handlungen generell meist positive, andere Arten von Handlungen überwiegend negative Folgen für eine Entwicklung des Menschen hin zu seiner eigentlichen Natur haben. Jedoch erkennt ein Buddha zum einen von seinem Standpunkt aus klar den illusorischen Charakter von Entwicklung an sich, zum anderen ist Ethik ihrer Natur nach dualistisch. Folgerichtig entwickelte sich eine buddhistische Tradition, die Elemente des Tantra, einer offiziell verpönten Richtung der indischen Religion, aufgriff. Tantrisches Denken geht davon aus, dass es nichts gibt, das per se rein oder unrein ist. Alle Elemente des Lebens können zu Bestandteilen des spirituellen Weges gemacht werden. Ethisches Verhalten wird nicht immer automatisch als sinnvoll erachtet. Der Verzicht auf starre moralische Kriterien erleichtert zwar situationsangemessenes spontanes Handeln, birgt aber große Gefahren für spirituell ungenügend Entwickelte. Daher ist der Tantrapraktizierende lange Zeit sehr auf die Betreuung durch einen erfahrenen hoch stehenden Lehrer, den Guru, (tibet.: Lama) angewiesen.

Da die Lehren und Praktiken des tantrischen Buddhismus unmittelbar von Lehrer zu Schüler weitergegeben und nach außen geheim gehalten wurden, lebte dieser zunächst im Verborgenen. Mit der Zeit bildeten sich jedoch festgelegte tantrisch-buddhistische Rituale heraus und ab ca. dem 4. Jhdt. entstanden auch schriftliche Zeugnisse. Der tantrische Buddhismus ist insoweit, als er das Bodhisattva-Ideal vertritt, Teil des Mahayana, wird wegen seiner Besonderheiten aber meist als eigenständige dritte buddhistische Richtung gesehen und hauptsächlich als Vajrayana (Diamantenes Fahrzeug) bezeichnet.

Tibetischer Buddhismus

Das Indien benachbarte Tibet blieb lange vom Buddhismus unbeeinflusst. Erst im Jahr 641 gründete der König Songtsen Gampo unter dem Einfluss seiner beiden buddhistischen Ehefrauen das erste buddhistische Heiligtum Tibets. In den folgenden Jahren ging die Herausbildung einer starken Zentralregierung einher mit der Förderung des Buddhismus, da so der partikularistische Adel, der der einheimischen schamanistischen Bön-Religion (tibet.: Bö = Tibet) verhaftet blieb, geschwächt werden konnte. Tibet stieg im 8. Jhdt. zu einer regionalen Großmacht auf und konnte sogar mit China konkurrieren.

Die entscheidende Weichenstellung für den Buddhismus in Tibet erfolgte unter der Regierung des Königs Trisong Detsen (755-797). Dieser berief den indischen Tantriker Padmasambhava (von den Tibetern Guru Rinpotsché, „Kostbarer Lehrer“, genannt) an seinen Hof und sorgte so für die Etablierung des Vajrayana-Buddhismus in seinem Land. Obwohl in den folgenden Jahrhunderten das tibetische Reich wieder zerfiel und der Buddhismus von der Bön-Religion stark zurückgedrängt wurde, überlebte er in den tibetischen Randgebieten und konnte von dort im 10. Jhdt. wieder vordringen.

Anfang des 11. Jahrhunderts kam es zu einer Renaissance des tibetischen Vajrayana-Buddhismus. Einzelne Persönlichkeiten begründeten Dharma-Übertragungslinien, die viele Jahrhunderte weiterwirkten:

- Der indische Gelehrte Atisha und sein Hauptschüler Dromtön (1105-1064) begründeten die Kadampa-Tradition.

- Marpa (1012-1097), ein tibetischer Bauer, der nach Indien gereist war und dort vor allem vom großen Gelehrten und Yogi Naropa Belehrungen empfangen hatte, wurde der Urheber der Kagyü-Tradition.

- Außerdem kam es zu einem Wiedererstarken der von Padmasambhava begründeten Übertragungslinie, die sich nun als Nyingma-Tradition (alte Schule) bezeichnete.

Im 11., 12. und 13. Jahrhundert wurden immer mehr Klöster gegründet, die vermehrt zu Besitz und weltlicher Macht gelangten. Nun entstanden auch die beiden Elemente, die bis in die jüngste Vergangenheit kennzeichnend für den tibetischen Buddhismus werden sollten:

- Der Kagyü-Patriarch Düsum Khyenpa (1110-1193), genannt Karmapa (Tatkraft aller Buddhas), erklärte vor seinem Tod, er werde sich bewusst an einem Ort wieder gebären lassen, der ihm bereits bekannt sei, womit er seinen Schülern die Auffindung seiner Reinkarnation ermöglichte. Er wurde so der Begründer des Tulku-Systems, des Prinzips der wiedergeborenen Lamas, das in der Folgezeit auch in anderen Traditionen des tibetischen Buddhismus praktiziert wurde.

- Als Tibet von den Mongolen bedroht wurde, reiste der Sakya-Patriarch Sakya Pandita (1182-1251) an den Hof des Mongolenkhans und bot ihm die Unterwerfung an. Der Khan ernannte den Patriarchen daraufhin zum Statthalter von ganz Tibet. So wurde erstmals die politische Macht in die Hände der Geistlichkeit gegeben.

Obwohl auch Adelsfamilien noch regional Herrschaftsfunktionen innehatten, lag die zentrale politische Macht von nun an bei den buddhistischen Geistlichen, zunächst bei den Sakyas, dann bei den Kagyüs.

Die Inhaberschaft weltlicher Macht durch die Orden und ihre Klöster brachte naturgemäß einen Konflikt zwischen spirituellen und materiellen Interessen mit sich. Leute, die primär an politischer Macht interessiert waren, wurden Mönche, nahmen aber die Gelübde nicht so ernst und zeugten Nachkommen, denen sie auch materielle Güter hinterlassen wollten. Dagegen wandte sich besonders wirksam der Kadampa-Gelehrte Tsongkhapa (1357-1419). Er begründete den Reformorden der Gelugpa (der „Tugendhaften“), die wegen ihrer Kopfbedeckungen auch „Gelbmützen“ genannt werden (im Gegensatz zu den anderen Schulen, den „Rotmützen“). Die Gelugpa zeichneten sich durch eine strenge hierarchische klösterliche Disziplin und ein lehrplanmäßiges Ausbildungssystem aus. Die Ausübung tantrischer Rituale bleibt in der Hierarchie höher stehenden Personen vorbehalten.

Der 2. Inkarnation von Tsongkhapas Hauptschüler Gendündup, Sönam Gyatso (1533-1588), seinerzeit Oberhaupt der Gelugpa, wurde von einem Mongolenkhan der Titel „Dalai Lama“ verliehen (tibet.: Gyatso = mongol.: Dalai = Ozean). Politisch gewannen die Gelugpa zunehmend an Bedeutung, sie konnten ihren Vorläuferorden, die Kadampa, absorbieren und den Kagyüs die Vorherrschaft streitig machen. Dem 5. Dalai Lama Losang Gyatso (1617-1682) gelang es schließlich, die Herrschaft über Tibet für sich und seine Nachfolger bis ins 20. Jhdt. hinein zu gewinnen. Gewährleistet wurde dies durch die enge Verbindung zur chinesischen Dynastie der Mandschus, die in Peking bis 1912 regierte, und durch die gewaltsame Zurückdrängung der anderen tibetisch-buddhistischen Orden. Letztere konnten sich nur in den Randgebieten Tibets, vor allem der Provinz Kham, und in den angrenzenden Himalayastaaten behaupten.

Ebenso wie Theravada und Mahayana blieb auch der Vajrayana-Buddhismus tibetischer Prägung nicht auf sein Ursprungsland begrenzt. Vor allem die Mongolen und ihre Nachbarvölker konnten gewonnen werden. Mit dem westmongolischen Volk der Kalmücken, das ab dem 17. Jhdt. nördlich des Kaukasus siedelte, etablierte sich der tibetische Buddhismus sogar auf europäischem Boden.

In Tibet kristallisierte sich eine Gesellschaftsform heraus, bei der der Staat hauptsächlich auf die Versorgung der Klöster ausgerichtet war. Über längere Zeiträume waren nahezu die Hälfte aller Männer Mönche, sie mussten vom Rest der Bevölkerung ernährt werden. Die buddhistische Durchdringung der tibetischen Zivilisation führte einerseits zwar z.B. zu einer vergleichsweise humanen Justizordnung, anderseits aber auch zu einer schwachen Exekutive, die auf chinesisches Wohlwollen angewiesen war. Die 1. chinesische Revolution von 1912 brachte dem Großteil Tibets zwar formelle Eigenstaatlichkeit, aber auch den Verlust lukrativer Pfründe in China für die Gelugpa-Administration. Nachdem letztere die Atempause, die ihr die Wirren in China zwischen den Weltkriegen boten, nicht zu notwendigen Reformen nutzte, konnte Tibet seine Eigenständigkeit gegen die neue starke kommunistische Zentralregierung in China nach 1950 nicht mehr behaupten. Zunächst noch teilautonom, wurde Tibet 1959 gänzlich von China annektiert, woraufhin die meisten der hohen Lamas das Land verließen. In der Kulturrevolution nach 1966 wurden über 90 % aller Klöster zerstört und die Mönche weitestgehend massakriert. In der Zeit nach Maos Tod wurde vor allem aus Gründen der Tourismusförderung der Wiederaufbau von Klöstern toleriert, heute gibt es wieder ca. 150000 Mönche in Tibet.

Buddhismus in Deutschland

Nach Etablierung des europäischen Ostasienhandels im 16. Jhdt. trafen auch Berichte über die Religionen dieses Weltteils in Europa ein, zunächst allerdings meist durch christliche Missionare, die vieles entstellte, so dass z.B. der deutsche Universalgelehrte Leibniz (1646-1714) davon ausging, die Lehre Buddhas sei banaler Nihilismus. Erst das 19. Jhdt. brachte eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit dem Buddhismus. Arthur Schopenhauer (1788-1860) behauptete von sich, seine Philosophie stünde vollständig im Einklang mit den Lehren des Buddha. Als erste bekennende Buddhisten in Deutschland gelten Paul Carus (1852-1919) und Dr. Karl Eugen Neumann (1865-1915), der den Palī-Kanon ins Deutsche übersetzte. In Leipzig gründete dann 1903 der Privatgelehrte Dr. Karl Seidenstücker (1876-1936) die erste buddhistische Organisation, den Buddhistischen Missionsverein in Deutschland. Zunächst stand im Mittelpunkt, die bürgerlichen, gebildeten Bevölkerungsschichten des deutschen Kaiserreiches für die buddhistische Lehre zu interessieren und zu gewinnen. Nach dem ersten Weltkrieg begann man vermehrt, die Lehrinhalte auch zu leben. Buddhistische Gemeinden wurden gegründet, z.B. von Georg Grimm (1868-1945) und Dr. Paul Dahlke (1865-1928), der 1924 das noch heute existente Buddhistische Haus in Berlin erbaute. In der NS-Zeit galten Buddhisten als Außenseiter, eine systematische Verfolgung blieb aber aus. Waren vor dem 2.Weltkrieg vor allem die Lehren des Theravada rezipiert worden, so gelangte in den fünfziger Jahren zuerst der Zen- und dann auch der tibetische Buddhismus nach Deutschland. Letzterer fasste durch die Gründung des europäischen Zweiges des Ordens „Arya Maitreya Mandala“ des deutschen Gelugpa-Lama Anagārika Govinda (Ernst Lothar Hoffmann, 1898-1985) 1952 in Berlin zum ersten Mal öffentlichkeitswirksam Fuß in Europa. Ab Mitte der 1960er Jahre richtete sich das Hauptaugenmerk der deutschen Buddhismusinteressierten dann auf die meditative Praxis. Seit den 1980er Jahren ist ein Boom des tibetischen Buddhismus zu verzeichnen, dessen Auslöser Besuchsreisen ranghoher tibetischer Würdenträger auf Einladung ihrer ersten westlichen Schüler ab Mitte der 1970er Jahre waren. Heute gibt es bereits etliche Europäer, die den traditionellen Ausbildungsweg einer tibetisch-buddhistischen Schule durchlaufen haben und den Titel "Lama" tragen.

Charakteristisch für den Buddhismus in Deutschland ist heute seine organisatorische Zersplitterung und Unübersichtlichkeit. Häufig sind buddhistische Klein- und Kleinstgruppen, die sich teilweise in Privaträumen zur gemeinsamen Praxis zusammenfinden. Nicht nur praktizieren Theravada-, Mahayana- und Vajrayana-Anhänger separat, auch innerhalb z.B. der großen Hauptlinien des tibetischen Buddhismus gibt es keine einheitlichen zentralen Organisationsstrukturen. Dies gründet sich zum einen auf die Unabhängigkeit der einzelnen buddhistischen Lehrer (auch der Dalai Lama ist kein „Papst"!), zum anderen darauf, dass in den buddhistischen Gruppen nicht stundenweise eingespielte Anbetungsformen zelebriert werden, sondern eine gemeinsame ganzheitliche Entwicklung von Menschen stattfindet, zwischen denen einigermaßen „die Chemie stimmen“ muss.

Schätzungen zufolge gibt es heute in Deutschland ca. 120000 aus Asien stammende und zwischen 50000 und 130000 einheimische praktizierende Buddhisten. Zwar scheint der Buddhismus hierzulande im Vordringen begriffen: immer mehr Prominente bezeichnen sich als Buddhisten und das Medieninteresse ist gleich bleibend groß; die Sympathie der Bevölkerungsmehrheit fliegt dem Buddhismus zu. Sieht man aber genauer hin, stellt man fest, dass selbst praktizierende Buddhisten sich oft nur oberflächlich mit den Lehren Buddhas beschäftigen. Buddhistische Meditation wird teilweise für egoistische Bestrebungen instrumentalisiert. Esoterikkonsumenten picken sich die für ihre eklektizistischen Konzepte attraktiv erscheinenden Komponenten heraus.

Auch wenn es viele ehrliche Praktizierende gibt, die sich energisch darum bemühen, so ist der Buddhismus hierzulande noch lange nicht verwurzelt.

(© F. Rupprecht, Regensburg, 01/2009)
शुभमस्तु सर्व जगताम ॥

ओं वज्रसत्त्व समयमनुपालय वज्रसत्त्व त्वेनोपतिष्ठ दृढो मेभव सुतोष्यो मेभव सुपोष्यो मेभवानुरक्तो मेभव सर्व सिद्धिं मे प्रयच्छ सर्वकर्मसु च मे चित्तं श्रेय कुरु हूं ह ह ह ह होः भगवन्सर्वतथागतवज्र मा मे मुञ्च वज्री भव महासमयसत्त्व आः
Guru-Rinpoche-Mantra